London Dry Gin & London Gin – Eine Frage der Herstellung
Gin zählt seit einigen Jahren zu den absoluten Vorreitern der Spirituosenwelt und das durchaus zu Recht, denn kaum ein anderes Destillat ist so vielseitig, wandelbar und schmackhaft wie Gin.
Eine schlichte Feststellung: anders als Single Malt Whisky, Cognac und Co. lässt sich Gin nicht so sehr in eine bestimmte Kategorie und Machart drängen, die dann als allgemeingültig gilt. Dies ist einerseits natürlich von Vorteil, da so die Vielschichtigkeit und Wandelbarkeit nicht verloren geht, andererseits besteht dadurch jedoch durchaus die Gefahr des Qualitätsverlustes und auch eine gewisse Verwirrung unter Gin Freunden und solchen, die es werden wollen. Und so legte die EU im Jahr 2008 eine Verordnung fest, die (unter anderem) dem London Dry Gin eine Art Regelwerk vorsetzte, anhand dessen sich Brennmeister orientieren sollen, wollen sie ihr Destillat (London) Gin nennen.
Die Herstellung eines London Dry Gins
Erstens: anders als „Gin“ an sich, besteht der London bzw. London Dry Gin aus qualitativ hochwertigerem Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs. Was das heißt? In erster Linie nicht viel, außer, dass der Methanolgehalt im Falle des London Gins nicht den Wert von 5 g/hl bei 100% Vol. Alkohol überschreiten darf und dass prinzipiell jedes ursprünglich agrarisch gewonnene Destillat verwendet werden kann. So darf Bavarka Gin immer noch aus Kartoffeln gebrannt werden, Rude aus Wacholderbeeren, G’Vine aus Weintrauben und der finnische Napue Gin aus Roggen. Um nur einige zu nennen.
Zweitens: wie bereits oben erwähnt, sind London Gins per se von höherer Qualität und wenden sich von daher auch gegen eine künstliche Aromatisierung und Farbgebung. Das heißt, dass für einen London Dry Gin ausschließlich natürliche Aromenstoffe verwendet werden, die zudem nur während des zweiten Destillationsganges zugegeben werden dürfen (nicht in das bereits gebrannte Destillat). Auch muss, will sich ein Gin London Dry nennen, auf Farbstoff verzichtet werden. Ein klares, natürlich gewonnenes Destillat also, das weder künstliche Aromen noch Farbstoffe in sich birgt.
Drittens: um dem „Dry“ im Namen gerecht zu werden, darf ein London Gin nur bis zu einem Wert von 0,1 g Zucker pro Liter zusätzlich gezuckert bzw. gesüßt werden. (Wenn auch das Dry keine strikte gesetzliche Grundlage besitzt.)
Viertens: nach der Destillation und vor der Reduzierung auf Trinkstärke muss das Destillat einen Mindestalkoholgehalt von 70% aufweisen.
Schließlich fünftens: anders als Champagner, Scotch, Armagnac und Cognac, darf Gin grundsätzlich überall hergestellt werden. Selbst ein London Gin kann, muss aber nicht aus Englands Hauptstadt stammen.
Sechstens: der Wacholdergeschmack sollte dominant sein.
Geschmack – Wie schmeckt ein „typischer“ London Dry Gin?
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten und Vorlieben können von Person zu Person ganz und gar unterschiedlich ausfallen. Ja sogar eine einzige Person kann je nachdem, in welcher Stimmung, in welchem Ambiente sie ist und je nachdem, was sie zuvor gegessen hat, geschmacklich unterschiedlich empfinden. Sie kennen das sicher von sich selbst und das ist auch der Punkt, an dem jedes geschmackliche „Festsetzen“ aufhört. Da stößt man an seine Grenzen, doch prinzipiell ist dies natürlich auch ein großer Vorteil. Denn wie arm an Geschmack und Vielfalt wären wir, würden wir alle immer gleich schmecken und empfinden!
Trotzdem ist es natürlich durchaus sinnvoll, gewisse Orientierungspunkte aufzustellen, anhand derer man sich der Spirituose Gin geschmacklich annähern kann. Und gerade der „traditionelle“ London Dry Gin ist hier natürlich von Wichtigkeit. Kosten Sie einmal einen der großen Barklassiker wie Tanqueray und auch Gordon’s, Bombay Sapphire oder Hayman’s und sie werden einen ersten Eindruck davon bekommen, in welche geschmackliche Richtung ein klassischer London Dry Gin sich bewegt. Die absolute Königin ist hier zweifelsohne die Wacholderbeere, die den Geschmack vorgibt und sich ganz vorzüglich mit einem Indian Tonic Water versteht. Begleitet wird sie von meist eher wenigen anderen Botanicals, deren Liste oftmals von Koriander und Angelikawurzel, Cassia Rinde, Kubebenpfeffer, Süßholz und Orris angeführt wird, um nur einige zu nennen. Die großen Gin Häuser Londons, bzw. Englands bilden (neben dem Genever) ein traditionelles Geschmacksbild, das man nun entweder zu übertrumpfen, dem man sich annähern oder von dem man sich bewusst abzugrenzen versucht.
Wenn auch der Name London Dry zuweilen ein wenig irreführend sein kann, da London Gins prinzipiell überall hergestellt werden dürfen und können, so kann man pauschal durchaus behaupten, dass bis heute noch viele Gins dieser Machart auch tatsächlich aus England und dessen Hauptstadt stammen. So beispielsweise Mayfair und Beefeater, Broker’s, Finsbury sowie die oben genannten Gins von Bombay Sapphire, Gordon’s und Hayman‘s.
Doch das ist natürlich längst nicht alles, denn London Dry Gins finden sich auch in anderen Ländern wieder, die ihm dann vielleicht eine gewisse exotische oder auch besondere Note mitgeben. So beispielsweise der zarte, blumige Florian Gin aus Deutschland, OM(F)G Gin aus Tschechien oder auch die deutsch-spanische Kooperation von The Botanic, die die Zitrusfrucht Buddhas Hand mit aufnimmt. Denn: London Dry kann, hat jedoch nicht immer die Wacholderbeere zum einzig alleinigen Star auserkoren. Schmackhaft beweisen dies auch Elephant Gin mit seinen Buchu Blüten und Baobab sowie Sacred Gin mit seinen Weihraucharomen.
Noch ein Wort zum New Western Gin, den man ja immer wieder gerne als Gegenstück des London Dry bezeichnet. Dieser läutete eine neue Ära des Gins ein, denn das typische „Dry“ und die absolute Wacholderlastigkeit gab man hier zugunsten sanfterer, lieblicherer Aromen auf und erreichte so auch diejenigen Genießer, die dem herb bitteren Gin Tonic früherer Zeiten skeptisch gegenüber standen. New Western ist also alles, was nicht streng auf die Wacholderbeere gerichtet ist und damit natürlich in allererster Linie auch eine klar subjektive Unterscheidung. Denn Geschmäcker sind verschieden und was für den einen wacholderlastig ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein. So kann es also durchaus vorkommen, dass auch ein London Gin schon einmal einem anderen Botanical den Vortritt lässt und trotzdem seinem Verfahren nach per „London Gin“ Herstellung geschaffen wird.
Geschichte
Wer nun denkt, dass die Geschichte des London Gins erst im Jahr 2008 begann, als man in der EU eine Verordnung zum Thema Gin erließ, der lässt dessen Historie deutlich zu spät beginnen. Denn Gin ist schon seit Jahrhunderten ein gern gesehener Gast in den Gläsern der Upper wie Lower Class. Nun, die „Oberen Zehntausend“ wie Queen Mum und Co. ließen sich bekanntermaßen ja erst dann dazu verleiten, als man 1791 den sogenannten „Gin Act“ in England erließ, der bereits in die Qualität und Herstellung eingriff, um der damaligen Gin Krise Herr zu werden. Kinder dieses Gin Acts waren der gesüßte Old Tom Gin sowie der geradlinigere, klassische London Dry Gin, die beide nunmehr auch die Oberschicht für sich einnehmen konnten und den Gin Tonic gesellschaftsfähig machten.
Und wieso eigentlich “London” Gin? Na, weil nirgendwo sonst auf der Welt so viel Gin getrunken wurde wie in und von England. Hier liegt die Wiege des Gins und hier kam es zu Hochkonjukturen sowie Gin Krisen gleichermaßen. Keine Hauptstadt ist so sehr mit Gin verbunden wie London und kein Gin ist so ein großer Klassiker wie der London Dry Gin.