Genever – Der Urvater des Gin
Wie die Griechen für ihren Ouzo, die Franzosen für ihren Champagner und die Schotten für ihren Scotch Whisky bekannt sind, so verbindet man die Niederländer (und Flamen) mit dem wacholderhaltigen Genever. Dieser erfreut sich in Holland bis heute großer Beliebtheit, doch nicht nur das: Genever gilt als Ursprung und Urvater eines jeden Gins und ist natürlich gerade in den jetzigen Zeiten des Gin Hypes wieder gern gesehen und mehr als nur eine Verkostung wert.
Zu den bekanntesten und renommiertesten Genever Häusern zählen Bols, Rutte, De Kuyper, Bokma, Zuidam, Warmbrechies, Wenneker und Hooghoudt.
Historische Hintergründe
Bis heute wird die Wacholderbeere in der Heilmedizin gerne gegen Rheuma und Gicht sowie im Magen- und Darmbereich eingesetzt. So ist es kein Wunder, dass früheste historische Hinweise auf die Ursprünge des Genevers wie auch des Gins auf heilende Tinkturen (und nicht auf Genussmittel) zurückgehen. Erste Belege dafür finden sich bereits 1.000 n. Chr., als man in der berühmten Schule von Salerno mit Alkohol und Wacholder experimentierte. Zwischenzeitlich hatte man Wacholder gar als Mittel gegen die Pest erprobt und auch Franziskus de la Boë versuchte sich im 17. Jahrhundert an einem solchen Heilmittel und schuf mit seinem „Genever“ einen Wacholderschnaps, der bei Magenleiden behilflich sein sollte. Übrigens: Genever heißt im flämisch-niederländischen nichts anderes als „Wacholder“ und auch zum französischen „genièvre“ ist es nicht weit. Viel wichtiger als Namensbestimmungen war in jener Zeit jedoch die Tatsache, dass Boës Mittelchen im Laufe der Zeit weniger als Medizin, denn als schlichte Genussspirituose konsumiert worden war. Der Genever war geboren.
Wie der Genever nach England kam
In jene Zeit fällt übrigens auch der spanisch-holländische Krieg, in welchem die protestantischen Niederländer mithilfe der Engländer gegen die katholischen Spanier für ihre Unabhängigkeit kämpften. Nicht nur die Abkapselung der Holländer vom spanischen Reich war die Folge dieses Krieges, sondern auch eine erste Annäherung der Engländer an den Genever.
Als dann im Jahr 1689 auch noch mit Wilhelm von Oranien-Nassau ein gebürtiger Niederländer den englischen Thron bestieg und der Genever im Gegensatz zu französischem Cognac und Co. deutlich kostengünstiger importiert werden konnte, stand der Liebe der Engländer zu wacholderhaltigen Spirituosen nichts mehr im Weg. Aus dem komplizierten Genever wurde das abgekürzte Wort „Gin“ und in Folge von billiger werdendem Getreide versuchte man sich bald auch selbst am Brennen von Wacholderspirituosen auf Getreidebasis.
Genever damals und heute
Auch der Genever profitierte vom Lauf der Zeit, denn mit der Industrialisierung wurden hochwertigere Produktionstechniken erfunden, die von Genever und Gin bis zu Whisky eine deutliche Qualitätssteigerung zur Folge hatten.
Mehr noch als Gin hatte der Genever im 20. Jahrhundert hinter Whisky und vor allem Vodka zurückzutreten, die nun anfingen, die Barkarten der Welt zu regieren. Doch wie Gin, so erfuhr auch der Genever eine Art Comeback und zeigt sich seit nunmehr einigen Jahren wieder von seiner besten Seite. Denn Genever weiß nicht nur als Urvater des Gins zu glänzen, sondern auch dem momentanen Hype von vergessenen Spirituosen entgegenzukommen und Liebhaber individueller Spirituosen zu begeistern.
Der große Unterschied – Die Herstellung von Genever
Eine Getreidebasis und diverse Botanicals, deren Liste allen voran Wacholder beinhalten muss – diese Beschreibung trifft (meist) sowohl auf Genever wie auch auf Gin zu und es stellt sich durchaus die Frage, wo denn nun der große Unterschied zwischen Gin und Genever liegt. Und in der Tat sind sich Gin und Genever ja schon allein aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte ähnlich und überschneiden sich durchaus schon einmal. Doch trotz allem gibt es Abweichungen bei beiden Spirituosen.
Eine erste Unterscheidungsmöglichkeit ist die Basis des Genevers, der sogenannte malt wine, eine Maische aus Getreide, die traditionellerweise aus einer Mischung aus Roggen, Gerste und Weizen besteht. Diese wird für einige Jahre in Eichenfässern gelagert und anschließend mit einem Destillat vereint, das zuvor mit diversen Kräutern, Blüten, Früchten und Gewürzen angereichert wurde, also einer Art von Gin.
Im Gegensatz dazu besitzt der Gin eine Basis aus Ethylalkohol agrarischen Ursprungs, die (im Falle des London Dry Gins) während des zweiten Destillationsganges mit Botanicals angereichert wurde. Der Ethylalkohol muss also nicht zwingend aus Weizen, Roggen oder Ähnlichem bestehen, sondern kann auch aus Weintrauben wie bei G’Vine, aus Kartoffeln wie bei Bavarka Gin oder aus Äpfeln bestehen. Der Phantasie kann man hier ihren Lauf lassen.
Auch was die Botanicals angeht, kann es natürlich große Unterscheidungen geben zwischen Gin und Genever. Denn während der Genever klassischerweise meist mit Ingredienzen wie Kardamom und Anis, Dill und Kümmel angereichert wird, ist die Vielseitigkeit im Falle des Gins schon beinah nicht mehr zählbar. Drachenfrucht und Kumquat, Yuzu Früchte und Himbeeren, Orangenblüten, Orris Wurzeln und noch vieles mehr bereichert hier die geschmackliche Vielfalt des Gins. Insbesondere, wenn er sich New Western nennt.
Eine Unterscheidung der Genever Sorten – Von Jonge bis Oude
Wir kennen es ja bereits vom Gin und seinen Old Tom, Dry und New Western Versionen, dass es diverse Ausprägungen und geschmackliche Stile einer Spirituose geben kann und auch Genever ist hier keine Ausnahme.
Am bekanntesten sind der Jonge und der Oude Genever oder auch Jenever. Diese darf man jedoch nicht als Altersangabe verstehen, sondern als Zuordnungen zum alten bzw. neuen Destillationsstil. Der alte „Oude Genever“ besitzt einen süßlicheren Geschmack und einen leicht goldenen Farbton, während der Jonge Genever neutraler schmeckt und meist von klarer Farbe ist.
Muss Genever aus den Niederlanden kommen?
Das einmal vorneweg: nein, Genever ist keine Spirituose, die mit einer festen Herkunftsbezeichnung verbunden ist. Sie kann also prinzipiell überall hergestellt werden, doch da die Wurzeln in flämisch-niederländischen Landen liegen und die Genever Tradition dort groß geschrieben wird, weiß man bis heute vor allem von Genevern aus ebenjenen Gegenden.
Wie trinkt man eigentlich Genever?
Obwohl der Genever wie der Gin durchaus auch für diverse Cocktailkreationen geeignet ist, trinkt man ihn in Holland zum Großteil pur und gut gekühlt.